Fast jede fünfte Frau in der Schweiz leidet während der Schwangerschaft oder nach der Geburt unter psychischen Problemen, doch viele Fälle bleiben unerkannt und unbehandelt.
Die Auswirkungen auf die Frauen und ihre Familien können tiefgreifend sein – beispielsweise sind Mütter anfälliger für Probleme beim Stillen, Substanzmissbrauch und sogar Suizid, und während der Schwangerschaft besteht ein erhöhtes Risiko für eine Frühgeburt und eine fetale Wachstumsverzögerung.
Dies soll mit einem neuen, professionellen Handbuch geändert werden, welches die Früherkennung und Behandlung von perinatalen psychischen Störungen unterstützt.
Das Handbuch soll in allen Schweizer Entbindungskliniken zum Einsatz kommen und wird praktische Vorlagen, berufliche Anforderungen und Schulungsmaterialien enthalten. Es baut auf einem erfolgreich an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Inselspital Bern, etablierten Dienst für Advanced Practice Midwives (APM)* auf, der Frauen mit vorbestehenden psychischen Erkrankungen oder Stress während der Schwangerschaft und rund um die Geburt frühzeitig unterstützt.
Projektpartner
Hintergrund
„In der Schweiz sind fast 17% der schwangeren Frauen von psychischen Erkrankungen betroffen, wobei die Detektionsrate im Rahmen der geburtshilflichen Versorgung tief (1-3%) liegt.“ DOI: https://doi.org/10.18332/ejm/189954
Das Handbuch soll es anderen grösseren Schweizer Geburtskliniken ermöglichen, ein APM geleitetes Angebot im Bereich perinatale psychische Gesundheit zu etablieren und damit die Versorgung von betroffenen Frauen und Familien in der Peripartalzeit zu verbessern. Die Stabilisierung der psychischen Gesundheit von Frauen kann ihnen eine Grundlage bieten, um mehr körperliche und emotionale Ressourcen zu entwickeln, was sich auch positiv auf den Erfolg des Stillens auswirken kann. Das Thema Stillen wird in diesem Handbuch ebenfalls behandelt.
Bern ist Vorreiter auf diesem Gebiet. Um die Früherkennung zu fördern, die Behandlung für betroffene Frauen zu optimieren und so die Risiken für Mutter, Kind und Familie zu minimieren, hat die Universitätsklinik für Frauenheilkunde am Inselspital Bern (FKI) in Zusammenarbeit mit den Universitären Psychiatrischen Diensten Bern einen interprofessionellen Dienst mit einer Advanced Practice Midwife (APM) entwickelt, implementiert und evaluiert (Sutter et al., 2024). Das Programm ist interprofessionell (Maternal Mental Health Team der FKI) und richtet sich an Frauen mit einer Vorgeschichte von psychischen Erkrankungen oder psychosozialem Stress.
FLRS spendete CHF 48‘000 als uneingeschränkten Zuschuss zur Unterstützung der Entwicklung des Handbuchs.
*Ein APM-Dienst ist ein spezialisiertes Betreuungsmodell, bei dem erfahrene Hebammen mit Masterabschluss und Zusatzausbildung eng mit Ärzten, Psychologen und anderen Fachleuten zusammenarbeiten, um Frauen insbesondere in Stresssituationen individuell und ganzheitlich zu unterstützen.
Universitätsklinik für Frauenheilkunde: Begleitung bei belastenden Situationen - Universitätsklinik für Frauenheilkunde: Die Insel für die Frau - Universitätsklinik für Frauenheilkunde
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